Was hat die Treuhand mit uns zutun?

Beitragsbild zur Podcast-Episode über die Treuhand

Die Treuhand. Für viele Menschen im Osten ist sie immer noch der Inbegriff für alles, was schief gelaufen ist um 1990 herum. Und das ist auch das Bild, das vielen jüngeren Menschen vermittelt wird. Marcus Böick forscht zum Thema und bemüht sich um Differenzierung.

Die „Bad Bank“ der Wiedervereinigung

Ausverkauf, Arbeitslosigkeit und Abwertung werden mit der Treuhandanstalt in Verbindung gebracht. Auf sie lassen sich die meisten negativen Erfahrungen zur Zeit der Wiedervereinigung projizieren. Vom Bild einer korrupten Wirtschaftsregierung, in der sich unfähige Manager*innen aus Westdeutschland mal so richtig austoben können, bis hin zu einer Verscherbelungsmaschine, die vermeintlich gut funktionierende volkseigene Betriebe zum Spottpreis an reiche Investor*innen verhökert, die die Betriebe dann schließen, um Konkurrenz zu vermeiden.

Auf der anderen Seite gibt es die Erzählung, die Treuhand sei alternativlos gewesen und es hätte fast schon schicksalhaft nur genau so ablaufen können, wie es schließlich abgelaufen ist. In beiden Sichtweisen schwingen kleine Fünkchen Wahrheit – ganz bestimmt aber viele Erfahrungen und festgewordene Klischees mit. In ihrer Absolutheit sind beide nicht sonderlich differenziert und tragen auch nicht gerade zu einer „Versöhnung“ mit der Wiedervereinigungs-Geschichte (die man nun mal nicht ändern kann) und einem lösungsorientierten Blick auf die gemeinsame Zukunft bei. Wobei allein die Betonung des „Gemeinsamen“, zumindest bei mir, merkwürdige Gefühle auslöst – denn „getrennt“ gab es für mich nie, auch wenn sich das in den Aussagen mancher Menschen heute noch so anhört.

Die Corona-Krise und die Umbruchserfahrungen von 1990

Keine Angst, dies ist eine „Corona-Folge“. Und dennoch ist der vorsichtige Vergleich zwischen der aktuellen Krisensituation und dem Umbruchsgeschehen in Ostdeutschland um 1990 interessant – betrachtet man zumindest die wirtschaftliche Facette des Ganzen. Während gerade ein turbo-kapitalistisches und globalisiertes Wirtschaftssystem gebremst werden musste, wurde damals ein in die Jahre gekommenes planwirtschaftlich-nichtmarktwirtschaftliches Extrem beschleunigt. Eine Folge in beiden Fällen ist zum Beispiel ein sprunghafter Anstieg der Kurzarbeit. Spannende Gedanken – mehr dazu im Podcast.

Mit Marcus Böick über die Treuhand

Zweifellos gehört die Geschichte der Treuhand auch heute noch zu den umstrittensten Themen der deutschen Ost-West-Geschichte und wird entsprechend gern politisch instrumentalisiert und für Erklärungen von diesem oder jenem herangezogen. Einer, der sich sehr für einen differenzierten Blick auf die Treuhand einsetzt, ist der Historiker Marcus Böick. Er wurde 1983 in Sachsen-Anhalt geboren, lehrt jetzt an der Ruhr-Universität Bochum und hat einer der umfangreichsten Studien zum Thema Treuhand vorgelegt.

Shownotes

Marcus Böick auf der Website der Ruhr-Universität Bochum

Die Studie über die Treuhand

Interview mit Marcus Böick bei Deutschlandfunk Kultur

Eintrag zur Treuhand-Anstalt auf Wikipedia

MDR-Podcast „Dienstags Direkt“ zu 30 Jahren Treuhand

Zur vergangenen Folge „Keine Jungpioniere“ mit der Journalistin Marie-Sophie Schiller

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Pingback: Podcasten während Corona – die Technik | EinfachTon

  2. Pingback: Welche Klischees haben wir über Ost und West? | Keine Jungpioniere

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Apple PodcastsPocketCastsSpotifyRSS